Gut ausgeruht und beseelt vom fantastischen Platz am Tanaelv machen wir uns nun aber auf zum Nordkapp…es warten über 300 Kilometer Fahrt auf uns.
Über die kargen, aber trotzdem irgendwie faszinierenden Landschaften des Ifjord- und Børselvfjellet erreichen wir den Porsangerfjord, an dessen Ufer es nun weiter nordwärts geht. Das Nordkapp liegt auf der Insel Magerøya, welche durch den Nordkapptunnel erreicht werden kann. Dieser im 1999 eröffnete Unterwassertunnel ist 6875 Meter lang und liegt an seiner tiefsten Stelle 212 Meter unter dem Meeresspiegel. Inzwischen kann der Tunnel ohne Entrichtung einer Maut passiert werden – die Erstellungskosten von umgerechnet rund 135 Millionen Franken waren im 2012 bereits durch die Mautzahlungen wieder eingenommen worden.
Hat einen der Tunnel wieder ans Tageslicht befördert, findet man sich in der kargen Welt der Insel Magerøya wieder. Nun geht es in einem steten Auf- und Ab zum Nordkapp, wo wir für einen doch recht stolzen Preis die Nacht über auf dem Parkplatz stehen dürfen. Eigentlich ist es ein merkwürdiger Ort, dieses Nordkapp. Schon fast ein bisschen unwirklich. Im Nirgendwo oder eben am Ende Europas stehen die Nordkapphalle und der berühmte Globus auf dem Hornvikfelsen und ziehen unzählige Touristen an – im Reisecar, im Auto oder mit dem Camper, mit dem Motorrad, mit dem Velo oder sogar zu Fuss strömen die Menschen herbei. Munter werden ihnen (und uns natürlich auch) die Kronen aus der Tasche gezogen. Parkieren, Essen, Trinken und Souvenirs – hier ist alles noch ein bisschen teurer als es in Norwegen ohnehin schon ist. Aber es ist halt das Nordkapp der fast nördlichste Punkt Europas. Und sogar Wetterglück haben wir. Es ist zwar nicht wolkenlos, aber die Stimmung und der Sonnenuntergang sind schlicht und einfach fantastisch. Da trinkt sich auch der italienische Rotwein ganz anders.
Für uns ist Europa aber hier noch nicht ganz zu Ende und daher wandern wir am nächsten Tag zum Knivskjelodden, der noch ein bisschen nördlicher als das Nordkapp liegt.
Der Start zu dieser Wanderung befindet sich südlich des Nordkapps, beim entsprechend gekennzeichneten Wanderparkplatz. Wer möchte, könnte mit dem WoMo auch gleich hier übernachten.
Der Weg zum Knivskjelodden oder zumindest bis zur Knivskjelbukta ist häufig begangen und daher deutlich sichtbar. Dazu weisen Steinmänner, Holzpflöcke und ab und an ein Wegweiser die Richtung. Es geht über das weite Fjell, Rentiere grasen in der Nähe und recken neugierig die Köpfe, wenn Wanderer vorbeikommen. Es ist ein anderes Wandern als wir es uns gewohnt sind...es ist eben und kein Baum ist zu sehen, wir befinden uns über der arktischen Baumgrenze. Nach einem kurzen Abstieg haben wir die Knivsjellbukta erreicht - ein schöner Platz mit Aussicht zum Nordkappfelsen.
Wir aber wollen noch weiter zum Knivskjelodden, der noch nördlicher als das Nordkapp liegt. Hier lassen wir uns auf den Felsen über dem Eismeer nieder, geniessen die Sonne und beobachten die vielen Seevögel, die an vorbeifliegen...Möven, Kormorane, Papageientaucher und Trottellummen können wir ausmachen.
Den Rückweg zum Ausgangspunkt wollen wir etwas umgestalten und steigen auf den Hügelzug hoch, welcher sich hinter dem Knivskjelodden erhebt und nach Süden verläuft. Bereits auf dem Hinweg hatten wir uns nämlich gefragt, ob man diesen wohl überschreiten könnte – Knackpunkt könnte die tiefe Scharte mitten auf dem Grat sein, was aber aus der Ferne nur schwer zu beurteilen war. Und so machen wir uns daran, uns das Ganze aus der Nähe anzuzsehen. Schon der erste Teil des Hügelzuges ist wunderschön zu begehen – Rentiere und eine tolle Aussicht zum Nordkapp begleiten uns, teilweise sind sogar Wegspuren auszumachen. Vor der Scharte dann ein grosser Steinmann mit oranger Boje.
Ja und da ist sie – diese Scharte. Der Abstieg ist für uns problemlos zu meistern, aber an den Aufstieg wagen wir uns nicht. Das Gestein ist uns zu brüchig und ausserdem ist hier der Fels mit feuchten Flechten überzogen. Ein Ausrutscher würde in einen Freiflug hinunter ins Nordmeer gipfeln, ohne Garantie, dass man nur aufs Wasser aufschlägt. Also steigen wir von der Scharte ein wenig ab und traversieren ein Stück in der Flanke, um dann wieder über Gras und Schrofengelände auf den Geländerücken hochzusteigen. Auf dem immer breiter werdenden Rücken geht es weiter in Richtung Süden, aber die Tiefblicke in der praktisch senkrecht zum Meer abfallenden Klippe sind fantastisch. Umherziehende Nebelschwaden verleihen der Szenerie noch das Tüpfelchen auf dem i.
In der östlich von uns gelegenen Senke, durch welche wir auf dem Hinweg gewandert sind liegen zwei hübsche Seelein. Hinter ihnen schwenken wir leicht in Richtung Nordosten und erreichen nach ein paar Auf- und Abs in der weitläufigen Landschaft treffen wir irgendwann wieder auf den ausgetretenen Pfad, der uns zurück zum Ausgangspunkt führt.
Die Schwierigkeiten auf dem Normalweg bewegen sich im Bereich T2, wobei auf den leicht geneigten Platten, welche man zwischen der Knivskjelbukta und dem Knivskjelodden überquert, bei Nässe Vorsicht geboten ist. Unsere Variante über den Geländerücken bewerten wir mit T4, der Direktaufstieg aus Scharte würde sich wohl im Bereich T6, III wiederfinden.
Nach unserer Wanderung fahren wir nach Skarsvåg. Wir schlendern noch ein bisschen durch das kleine Fischerdorf, decken uns im Julehuset mit Weihnachtsschmuck ein und geniessen Kaffee und Weihnachtsgebäck – mitten im Sommer. Die Nacht hier ist dann eher unruhig, starker Wind rüttelt an unserer mobilen Behausung – wie viel braucht es wohl, bis diese kippt? Die Antwort auf diese Frage bleibt offen, diese Nacht war der Wind noch nicht stark genug.
Am nächsten Morgen besuchen wir als kurzes Morgentraining die Kirkeporten – ein Felsentor durch welches man den Nordkappfelsen sehen kann. Anschliessend Duschen und gemütlich zmörgälä, bevor wir und in Richtung Hammerfest aufmachen.
Auch wenn es nicht mehr ganz stimmt, verkauft sich Hammerfest als nördlichste Stadt der Welt. Inzwischen gibt es andere Städte, die noch weiter im Norden liegen. So zum Beispiel Honningsvåg oder Barrow (Alaska). Im zweiten Weltkrieg wurde Hammerfest von der Deutschen Wehrmacht besetzt und später vollständig zerstört. Einzig die Grabkapelle blieb stehen. Auf der vor Hammerfest gelegenen Insel Melkøya hat das internationale Snøhvit-Konsortium unter der Leitung des Statoil-Norsk Hydro-Konzerns die größte Erdgasverflüssigungsanlage (LNG) Europas errichtet.
Wieder einmal schlendern wir einfach ein bisschen durch die Stadt, schauen dem Treiben im Hafen zu und erkundigen uns noch bei der Touristinfo, ob es allenfalls eine Möglichkeit gäbe, von hier mit der Fähre weiterzukommen. Doch leider nehmen die einzigen Schiffe, die gross genug für den Camper-Transport wären, keine Camper mit. Schade, liebe Hurtigruten. Jä nu, dann fahren wir halt wieder selber weiter. Aber zuerst gibt es noch eine leckere Pizza bei Peppes Pizza in Hammerfest.
Zwei gut gefüllte Bäuche fahren wieder weiter. In Richtung Alta. Hier könnte man einen Stopp einlegen und Felszeichnungen oder auch den Sautso-Canon besichtigen. Wir fahren aber noch etwas weiter, um uns auf einem Rastplatz am Altafjord für die Nacht niederzulassen.
Auch hier ist es friedlich. Wir grillen und chillen und unsere norwegischen "Nachbarn" fischen und sitzen bis morgens um 4 plaudernd am Lagerfeuer. Lebensqualität!